Aufenthaltsrecht: Klarstellung und Einordnung eines aktuellen Falls
Das Thema Abschiebung berührt Menschenwürde, persönliche Schicksale und gesellschaftliche Grundhaltungen. Es ist einerseits emotional, komplex, jedoch auch rechtlich klar geregelt. Im Zusammenhang mit einer Rückführung, die derzeit öffentlich diskutiert wird, erreichen den Landkreis Göttingen zahlreiche Anfragen und ebenso gibt es Darstellungen die aus Sicht der Kreisverwaltung klarzustellen sind. Die Kreisverwaltung nimmt dies zum Anlass, um die grundsätzlichen Abläufe zu erläutern und auf einzelne Aspekte des Falles einzugehen – soweit dies unter Wahrung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte möglich ist.
Für die Prüfung der Asylanträge ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Dort wird geprüft, ob ein Schutzstatus gewährt werden kann, etwa als Flüchtling, Asylberechtigte*r oder subsidiär Schutzberechtigte*r. Wird der Antrag rechtskräftig abgelehnt, wird die Person zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet.
Rolle der Ausländerbehörde
Aufgrund der damit eintretenden vollziehbaren Ausreisepflicht prüft die kommunale Ausländerbehörde, ob rechtliche oder humanitäre Gründe gegen eine Rückführung sprechen. Das kann etwa eine Krankheit sein, familiäre Bindungen oder auch fehlende Identitätsdokumente. Solche Gründe können vorübergehend zur Aussetzung der Abschiebung, einer sog. Duldung führen. Diese Prüfung ist eng an gesetzliche Vorgaben gebunden.
Liegt kein Duldungsgrund vor, muss die Ausländerbehörde die Rückführung veranlassen. Dies entscheidet sie nicht selbst, sondern sie ist gesetzlich dazu verpflichtet. Die eigentliche Durchführung und der Vollzug obliegen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, welche die notwendigen Maßnahmen organisiert, koordiniert und die kommunale Ausländerbehörde hierüber informiert.
Zudem existiert die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise mit entsprechenden Förderungen, auf welche die Ausländerbehörde die betroffenen Personen vorab stets hinweist. Solche Möglichkeiten sollen den Betroffenen einen besseren Start in ihrem Heimatland ermöglichen, als die bei Rückführungen möglich ist. Darüber hinaus konnten viele Personen, deren Abschiebung seit Jahren ausgesetzt wurde, von sog. Bleiberechtsregelungen profitieren. Die wird von der Ausländerbehörde beworben und – wenn möglich – auch stets erteilt.
Der Landkreis Göttingen war zudem eine von wenigen Kommunen in Niedersachsen, die am Projekt „Wege ins Bleiberecht“ teilgenommen haben. Das vom Niedersächsischen Sozialministerium geförderte Initiative wurde gemeinsam mit dem Niedersächsischen Flüchtlingsrat umgesetzt. Ziel war es, geflüchteten Menschen konkrete Perspektiven für ein dauerhaftes und gesichertes Bleiberecht aufzuzeigen. Dafür wurden einzelne Fälle gemeinsam mit Beratungsstellen, dem Flüchtlingsrat und der Ausländerbehörde sorgfältig geprüft und individuelle Lösungen entwickelt.
Rechtsstaatlichkeit und Verantwortung
Dass solche Verfahren als „von der Verwaltung beschlossen“ dargestellt werden, ist rechtlich nicht zutreffend. Kommunen setzen die vom Gesetzgeber beschlossenen Regelungen um, sie machen die Regeln nicht.
Gerade weil Abschiebungen oft mit schwierigen persönlichen Lebenssituationen verbunden sind, ist es wichtig zu betonen, dass auch die zuständigen Behörden diese auf Basis der rechtsstaatlichen Prinzipien umsetzen. Ein funktionierender Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Entscheidungen auf Basis geltender Gesetze umgesetzt werden. Gleichzeitig gilt: Das Vertrauen in den Rechtsstaat wird nicht nur durch Härte, sondern auch durch Gesetzestreue gestärkt.
Zusammenhang zum aktuellen Fall
Zunächst bitten wir um Verständnis, dass wir zu laufenden ausländerrechtlichen Verfahren oder konkreten Abschiebungen keine detaillierten Auskünfte zu Einzelfällen erteilen. Der Schutz personenbezogener Daten und die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen müssen geachtet werden.
Rechtslage und Zuständigkeiten im Rückführungsverfahren
Die Ausländerbehörde des Landkreises ist – wie alle kommunalen Ausländerbehörden – für Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz sowie anderen ausländerrechtlichen Bestimmungen zuständig. Dazu zählt auch die Prüfung, ob eine Rückführung erfolgen muss und kann.
Eine Rückführung erfolgt nur, wenn eine Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet ist, dieser Verpflichtung nicht freiwillig nachkommt, keine gesetzliche Bleibeperspektive erkennbar ist und keine Abschiebehindernisse vorliegen. In dem zurzeit diskutierten Fall lagen diese Voraussetzungen vor. Insbesondere mangelte es an der erforderlichen Mitwirkung der betroffenen Person bei der Klärung der Identität.
Der im Herbst 2016 gestellte Asylantrag wurde durch das BAMF mit Bescheid aus Mai 2018 abgelehnt. Auch ein gegen diese Entscheidung geführtes Klageverfahren war nicht erfolgreich. Der ablehnende Bescheid wurde am Frühjahr 2019 nach gerichtlicher Entscheidung bestandskräftig.
Wie bereits ausgeführt, prüft die Ausländerbehörde vor der Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen stets mögliche humanitäre oder sonstige Bleiberechte. Im vorliegenden Fall bestand dauerhaft die fehlende Mitwirkung der betroffenen Person bei der Identitätsklärung, wodurch notwendige Reisedokumente nicht ausgestellt werden konnten. Dies zog letztlich das durch die Betroffene selbstverschuldete Fortbestehen der Aussetzung der Abschiebung nach sich. Die generelle Ausreisepflicht bestand somit weiterhin unverändert fort. Die gesetzlichen Vorgaben in solchen Fällen erlauben es hingegen nicht, eine Beschäftigung (u. a. auch Ausbildung) zuzulassen.
Zur Identitätsklärung und Herkunft
Die betroffene Person gab seit ihrer Einreise an, aus Burundi zu stammen. Von Beginn an gab es sowohl an dieser Aussage wie auch dem angegebenen Alter Zweifel. Diese Angaben konnten von der betroffenen Person zu keinem Zeitpunkt mit dafür erforderlichen Unterlagen und überprüfbaren Nachweisen belegt werden. So wurde in der jüngeren Vergangenheit ein vermeintlicher Auszug zu dieser Person aus einem Geburtenregister aus Burundi vorgelegt. Das dieser der betroffenen Person zuzuordnen ist, konnte jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Auch die burundische Botschaft äußerte Zweifel daran. Zudem hat ein nachgewiesener Abgleich von Fingerabdrücken, der bei einem Antrag auf ein Visum für den Schengenraum gestellt wurde, ergeben, dass es sich um eine malawische Staatsangehörige handelt. Eine Identitätsklärung durch Vertreter*innen der Botschaft der Republik Malawi bestätigten dies. Auf dieser Grundlage wurden dann von dort entsprechende Passersatzdokumente ausgestellt. Die Identität gilt daher für die Kreisverwaltung als geklärt.
Gerichtsentscheidungen lagen vor
Im Zusammenhang mit der Aussetzung der Abschiebung wurde ein weiterer Eilantrag beim Verwaltungsgericht Göttingen gestellt, um feststellen zu lassen, dass Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet vorliegen. Dieser wurde bereits während der laufenden Maßnahme vom Verwaltungsgericht abgelehnt. Auch ein anschließendes Beschwerdeverfahren beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht wurde mit dem Ergebnis, dass die Beschwerde zurückgewiesen wurde, vor Abschiebevollzug entschieden. Hätte ein Gericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit gehabt, wäre eine entsprechende Weisung des Gerichts ergangen die Maßnahme zunächst auszusetzen gewesen.